Anmutige, nackte Frauenkörper, die sich tänzerisch oder schwebend in erotischen Posen durch irreale Welten bewegen. Mit verträumten, selig lächelnden oder ekstatischen Gesichtern räkeln sich agile Jugendliche mal alleine auf Kissen, mal als Gruppe in stimmungsvoll erleuchteten Landschaftsszenerien. Die in altmeisterlicher Manier gemalten Ölbilder von Nguyen Xuan Huy überwältigen unmittelbar in ihrer Schönheit. Und sie verstören – denn rasch offenbart sich der trügerische Schein und lässt die Stimmung kippen: Verdrehte oder verkrüppelte Gliedmaßen fallen auf und überall lauern bedrohliche Details wie Maschinengewehre, Hähnchenflügel oder sozialistische Symbole.
Die eindringlichen Inszenierungen des 1976 in Hanoi geborenen Vietnamesen sind keine leichte Kost. Seine Identität knüpft sich direkt an den Vietnamkrieg als das fundamentale Trauma seiner Herkunft. Die Folgen des von der US-Army eingesetzten Entlaubungsmittels Agent Orange, das bis heute zahlreiche Missbildungen bedingt, sind ebenso ein zentrales Thema seiner Werke wie die sozialistische Ideologie, mit der er in dem kommunistischen Land aufgewachsen war. Seit 1994 hat Nguyen Xuan Huy nun seinen festen Wohnsitz in Deutschland und speziell die Perspektive von außen ermöglichte es ihm, sich künstlerisch mit der Propaganda zu beschäftigen, welche ihn selbst lange, wie er sagt, an ein naives Weltbild von Gut und Böse glauben ließ. Hinzu kommt der interessierte Blick in die andere Richtung – auf die Tradition Europas. Die westliche Kunstgeschichte inspirierte den Maler früh, was sich an vielen Zitaten und Anspielungen sowie seiner realistischen, sinnlichen Darstellungsweise des menschlichen Körpers ablesen lässt.
Die Vermischung dieser ganz unterschiedlichen Hintergründe verleitete Nguyen Xuan Huy dazu, die vielen Bilder in seinem Kopf, allen Gegensätzen zum Trotz, in groß angelegten Fiktionen visuell miteinander zu verflechten. Durch diverse Versatzstücke aus der Realität, vieldeutig-rätselhafte Handlungsmomente und unheimliche, oft zwielichtige Atmosphären entsteht dabei eine surreale Welt, in der die Logik des Alltags ausgehebelt ist. Während gewohnte Grenzziehungen aufgehoben werden verschmelzen Traum und Albtraum symbiotisch ineinander. Mit Nguyen Xuan Huy präsentiert die Kunstsammlung Jena faszinierend sinnliche Malerei, die zu emotionalen wie intellektuellen Reaktionen herausfordert und vorführt, wie sich das Anziehende und Abstoßende gegenseitig befruchten können.
Die Ausstellung wird von einem Katalog begleitet.