„Opfer und Überlebende sind die Hauptzeugen des Geschehenen, wir sind keine Statisten.“
İbrahim Arslan, Überlebender des Brandanschlags Mölln 1992
Die Ausstellung Offener Prozess widmet sich dem NSU-Komplex. Sie nimmt dabei die Ost-Deutsche Realität insbesondere in Sachsen zum Ausgangspunkt, um eine Geschichte des NSU-Komplexes zu erzählen, die von den Migrationsgeschichten der Vertragsarbeiter:innen und den Kontinuitäten rechter und rassistischer Gewalt und des Widerstandes dagegen ausgeht. Mit dem Ansatz eines „lebendigen Erinnerns” rückt sie marginalisierte Perspektiven in den Mittelpunkt. Dabei werden konkrete Ausformungen wie rechtsterroristische Gewalt, Alltagsrassismus und institutioneller Rassismus in ihren Wechselwirkungen beleuchtet. Ebenfalls werden die Verbindungen zu anderen Formen der Gewalt gegen bestimmte als fremd markierte Personen, wie etwa Antisemitismus, in den Blick genommen.
Analog zu Projekten wie dem dokumentarischen Theater NSU-Monologe und dem Tribunal NSU Komplex auflösen, beginnt die Ausstellung explizit nicht mit den Taten des NSU, sondern mit dem Leben, das existierte und in das diese Taten getreten sind. Kuratorische und vermittlerische Strategie wurden für die Ausstellung zusammen gedacht und entwickelt. Zeug:innenschaft ist dabei ein integrales Element. Zeug:innenschaft bedeutet nicht nur etwas zu sehen, etwas zu hören, sondern ist eine emotional-kognitive Handlung und führt zu einer sozial-politischen Praxis des Sich-Verbindens. Indem wir den Zeug:innen des rassistischen Terrors zuhören, werden wir in diesen Momenten zu Zeug:innen ihrer Zeug:innenschaft und dadurch auch selbst Zeug:innen. Wir stellen uns solidarisch zu den Erzählenden und nehmen ihre Geschichten auf. In dem wir uns zu ihnen stellen, entsteht auf diese Weise eine politische Form des Gedenkens, die sich performativ im Akt des Zuhörens und Erzählens kollektiv herstellt und fortschreibt.