Cover: Moritz Götze.
32 Seiten, 39 Abbildungen.
Text: Erik Stephan.
Musiker/Bands: Bernadette La Hengst, Andreas Gerth, ELKA-Duo, The World Domination, SUPER FLU, Klinke auf Cinch, Müllstation, vögel die erde essen.
Ca. 1794:
Der romantische Dichter Novalis träumt von einem Tisch mit 8 Plattenspielern. Zu hören ist die wunderbarste Musik jenseits von Zeit und Raum. Der Held von Novalis’ Romanfragment Heinrich von Ofterdingen ist in der ersten Fassung ein junger Wander-DJ auf der Suche nach jenem sagenhaften Plattenspielertisch. In den Träumen des jungen Heinrich spielen an manchen Tagen alle Plattenspieler dasselbe Lied: Enlightenment, don’t know what is (Aufklärung, keine Ahnung was das ist) von Van Morrison. Doch kein Ohr. Nirgends. Was zählt ist nur noch Vernunft und Verwertbarkeit. Weil Novalis nicht verlacht werden will wegen seiner Visionen und naturwissenschaftlichen Interessen, gibt er dem Tisch einen Namen: Die blaue Blume. Das klingt ein wenig nach Heiligem Gral, meint aber vor allem das metaphysische Streben nach dem Unendlichen. Der Maler Otto Runge verwendet das Motiv der Blauen Blume, allein sein Bild mit den 8 Plattenspielern bleibt bis heute genauso verschollen wie das erste Fragment vom Ofterdingen. Novalis und Runge, die sich nicht an den Weltenlauf des kontrollierten Fortschritts halten mögen, tauschen Musikdateien und Bilder über ihre Smartphones aus. Natürlich ist diese Art der Kommunikation zu jener Zeit noch subversiv. Überall lauern die Aufklärungs-Streber und Sturm und Drang-Spießer und wollen den Romantikern an die Phantasie. Deshalb nennen Novalis und Runge ihre Smartphones Wunderhörner. Das klingt genauso geheimnisvoll wie Blaue Blume. Die Musik ist denen vorbehalten, die in der Lage sind, sie zu hören.
Ca. 2015:
Der Maler Moritz Götze findet in den Kellern einer alten Fabrik in der Nähe von Weißenfels den legendären Tisch mit den 8 Plattenspielern. Zuerst glaubt er nicht, was er da sieht. Da Götze, genau wie Novalis und Runge, nie an der Gleichzeitigkeit aller Dinge gezweifelt hat, macht er sich an die Reparatur des Turntabletisches. Verschollen bleiben nach wie vor: Runges Bild und die Musik, die sich Dichter und Maler seinerzeit auf ihren Wunderhörnern hin- und herschickten. Aber da die Musik, wie alle Kunst, nie aufhört zu existieren, wenn man nur genug an sie glaubt, finden sich Musiker, die in der Lage sind, die kosmischen Klänge jederzeit aus den Luftschichten des Universums zu filtern und nachzuempfinden. Auf dieser Schallplatte versammeln sie sich. Die, die mehr hören als andere. Und, wie damals Novalis und Runge, kommuniziert hier alles auf subversive Art miteinander: der Maler,die Musiker und die Betrachterhörer.
Stefan Maelck, Giebichenstein 2015
ISBN 978-3-942176-82-8
Preis : 20,00 Euro