Sammlung Peter Mathar | Zeichnungen
13. Mai 2017 - 13. August 2017
Mit dieser Ausstellung möchten wir Wolfgang Mattheuer ehren, der zu den bedeutendsten Künstlern Ostdeutschlands in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg zählt. Die Kunstsammlung Jena besitzt mit einem Gemälde und etwa 30 Grafiken eine kleine Sammlung seiner Werke und ist dem Künstler seit den 1970er-Jahren verbunden. In der Ausstellung konzentrieren wir uns jedoch ausschließlich auf das zeichnerische Werk und zeigen etwa 100 Arbeiten der Sammlung Peter Mathar.
Der am 7. April 1927 in Reichenbach im Vogtland geborene Künstler ist Mitbegründer der "Leipziger Schule" und gehört mit Bernhard Heisig, Willi Sitte und Werner Tübke zu den bedeutenden Malern in der DDR. Der Sohn eines Buchbinders absolviert zunächst eine Lehre als Lithograf und nimmt erste Zeichenstunden. Nach Krieg und sowjetischer Gefangenschaft besucht er von 1946 bis 1947 die Kunstgewerbeschule und anschließend die Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig. Hier erhält Mattheuer seine Ausbildung zum Grafiker und entwickelt neben dem malerischen auch ein eigenständiges grafisches Werk. Bevor er ab 1974 ganz als freischaffender Künstler arbeitet, lehrt er für mehr als zwei Jahrzehnte zunächst als Assistent, ab 1965 als Professor, an seiner einstigen Ausbildungsstätte.
Mattheuer erhält 1973 den Kunstpreis der DDR und drei Jahre später deren Nationalpreis. 1977 ist er gemeinsam mit Bernhard Heisig und Werner Tübke an der documenta 6 in Kassel beteiligt, als es dort um neue realistische Kunst geht und der Sozialistische Realismus aus dem anderen deutschen Staat eine Gastrolle geben darf.
Wolfgang Mattheuer, der von Anbeginn in das sich entfaltende Problemgeflecht der DDR hineinwächst, erweitert die Bildsprache des in der DDR politisch eingeforderten Sozialistischen Realismus mit leiser, provokanter Hintergründigkeit. Seine klar gegliederten und durch eine vereinfachte Formensprache gekennzeichneten Bilder vereinen Elemente des deutschen Expressionismus und der Neuen Sachlichkeit mit einer eigenen Formensprache, die sich trotz ihrer Verschlüsselung als kritische Kommentare zur politischen Realität in der DDR lesen lassen.
Früh etabliert sich die Landschaft als wichtiger Teil seines Werks. In den 1970er-Jahren schafft Mattheuer zunehmend sinnbildhafte Landschaften, die oft mit mehrdeutigen symbolischen Figuren besetzt sind. Immer wiederkehrende Themen sind Motive der griechischen Mythologie, wie das Drama des aus seinen Flugträumen gerissenen Ikarus sowie Szenen, in denen die Beengung der Menschen, etwa auf Inseln, thematisiert wird. Oft erst auf den zweiten Blick entschlüsselt sich diese Doppelbödigkeit in seinen Arbeiten und es bleibt dem Betrachter überlassen, welche gesellschaftlichen Zustände er mit einer sinnlosen Sisyphusarbeit gleichsetzt und welche Erkenntnisse er aus verrätselten Allegorien und Gleichnissen ableitet. Ab 1971 beschäftigt sich der Künstler auch mit plastischen Arbeiten. Bedeutend ist vor allem die überlebensgroße Bronze "Der Jahrhundertschritt" von 1984, mit der er eine wenig optimistische Bilanz der gesellschaftlichen Widersprüche des 20. Jahrhunderts zieht.
Mattheuer ist überzeugter Kommunist, er stellt den Sozialismus nicht grundsätzlich in Frage, zeigt aber in seinen Bildern immer wieder kritikwürdige menschliche Verhaltensweisen und gesellschaftliche Zustände auf, die es zu benennen und damit aber auch zu überwinden gilt. Obwohl er sich oft auf einem schmalen Grat geduldeter Zeitkritik bewegt, sieht er sich selbst nicht als politischer Künstler. Bis heute leitet sich die Bedeutung Wolfgang Mattheuers aus der Vielschichtigkeit und Fülle seines Werkes ab. Er schuf ein Werk, welches vielfach geehrt wurde (1993 mit dem Bundesverdienstkreuz und 2004 posthum mit der Ehrenmedaille "Viribus unitis" der Stadt Leipzig) und mit seinen künstlerischen Positionen, dem Wunsch nach Freiheit inmitten gesellschaftlicher Konflikte und nicht zuletzt seinem farb- und formkompositorischen Können bis heute wertvoll und aktuell ist.
Katalog zur Ausstellung
Herausgegeben von Erik Stephan für die Kunstsammlung Jena/JenaKultur 2017
Texte von Annette Müller-Spreitz, Erik Stephan
Bildteil mit Abbildungen aller ausgestellten Werke und Zwischentexten von Wiebke Havenstein und Anke Scherzer
Mitarbeit: Elodie Sacher
Gestaltung: Bernd Adam
126 Seiten, 114 Abbildungen, 21,5 x 27,5 cm.
ISBN 978-3-942176-91-0
Preis: 28 Euro